24. 01.11 das Boot hat uns wieder – ausgefüllte Tage

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Wie recht sie  hat, meine Mutter, als sie uns in einem Gedicht, das sie uns beim Abschied widmete, unter anderem folgendes (Schweizerdeutsch) sagt:

I freue my, dass i das alles darf erläbe,
in Gedanke mit euch fahre, ganz vergäbe.
Dir sind sicher gspannt wie’s de Nicone goht,
öb no alles richtig lyt und stoht!?

Wahrschinlech hend ihr Arbeit bis gnue,
bis Dir s’Schiff hend nach sinere Rueh.
Die technische Sache müend funktioniere,
dir wend jo sicher gar nüt riskiere!

Nach einem ausgefüllten und erlebnisreichen Schweiz-Aufenthalt, kehren wir nach knapp drei Monaten zurück nach Panama.

Mit viel Gepäck, zwar fast ohne Kleider (benötigen wir vorläufig nicht), dafür mit vielen Bootsteilen, Büchern und feinen Sachen von zu Hause, fliegen wir via Amsterdam in 15 Std nach Panama-City, wo uns fast 30°C Temperaturdifferenz Hitze entgegenschlägt – haut einen um. Das „Hoftaxi“ der Panamarina wartet schon und bringt uns in fast drei-stündiger Fahrt quer durch Panama auf die Atlantikseite zum Bootssteg – dort steht auch schon unser Dingi bereit und im Scheinwerferlicht sehen wir die Nicone schwimmen – soll sie ja auch.

…übersetzen – nach 3 x ist’s geschafft – Gepäck hinaufstemmen – wir sind wieder da.

…wie zu erwarten, innen muffige Luft und alles schimmlig – das gibt Arbeit – aber es geht allen gleich – eine ordentliche Belüftung war wegen des andauernden Regens nicht möglich – die Regenzeit (in unsere Abwesenheit) war dieses Jahr besonders schlimm und führte sogar kurz zur Schliessung des Panamakanals und im ganzen Land zu Erdrutschen – im nahen Portobello wurden Strassen und Häuser verschüttet und es gab mehrere Tote. Das war im Dezember – wir waren zu Hause darüber informiert und nach einiger Zeit konnten wir wieder Kontakt aufnehmen und erfuhren, dass es zwar schlimm sei, alle uns Bekannten aber wohlauf seien und auch mit unserem Boot alles ok.

Wir begannen sofort mit der Reinigung  des Bootes – nach langer Reise und einem sehr langen Tag (plus 6 Std Zeitverschiebung), setze ich um Mitternacht Panamazeit die Borduhr in Gang – dann verfielen wir in einen Ohnmacht ähnlichen Schlaf.

Am nächsten Morgen… wo sind wir? …ah auf dem Boot…!

Gas und Herd funktionstüchtig machen – dann mässiger Filterkaffee – dieser ist im Gegensatz zu allen eher feuchten Dingen ziemlich ausgetrocknet…

Telefon nach Hause – alles ok

Der starke Wind und das gute Wetter, das wir gemäss Ansässigen mitbrachten, erlaubten gute Bootslüftung und einen ersten Putztag bis fast zum Umfallen.

Michel – Franzose mit gepflegtem Französisch, ehemals Segler, seit 7 Jahren hier mit seiner Frau ansässig und bekannt für zuverlässige Arbeit – Mechanik und Elektrik auf Booten – der in unserer Abwesenheit das Boot betreute, kam vorbei um uns zu begrüssen und zu melden, dass bis auf das kaum mögliche Lüften alles ok sei – wir vereinbarten mit ihm weitere Arbeiten in den folgenden Tagen.

Wir holen Segel, Decken und Zubehör ab, die wir vor unserer Abreise den beiden Segelmachern Alain und Hervé zur Überprüfung, Reparatur bzw Neuanfertigung hinterliessen – sauberer Job!

Während Leena weiter putzt, auf- und einräumt, beginne ich mit dem Check der Geräte – allgemein ok – ein paar  Lichter funktionieren (noch) nicht – wie zu erwarten, wegen Korrosion, wie sich herausstellt… und die Toilette vorne ist blockiert… Sch…

Auch am nächsten und den weiteren Tagen gibt’s volles Programm.

Der Morgenkaffee schmeckt immer besser – zwar nicht ganz so gut wie derjenige zu Hause „mit dem Schäumchen“…

Die Fledermäuse haben uns letzte Nacht wieder besucht und drei Bananen angefressen – wir vergassen diese in die Kühlbox zu legen… geschehe nichts Schlimmeres…

Die Bordfrau nützt die Gunst der Stunde – Schuld gibt sie der Feuchtigkeit – um viele Dinge die ich aufbewahrte – alles ist irgendwann nützlich auf einem Boot – zu liquidieren.

Teppiche, Fischrute, alter defekter Drucker, verrostete Büchsen – darunter die Büchse die wie ein Buch aussieht und liebevoll „Buch der Weisheit“ hiess und in der Regel feine Naschwaren beinhaltete – wo sollen die jetzt sein!? Aber auch fragwürdige Esswaren und vieles andere brachten wir mit Herzschmerz zur vorbildlichen Separat-Müllentsorgung der Marina.

2Mit Michel machen wir uns an den Einbau der mitgebrachten Neuteile – erneuern die Kupplungsinnereien, montieren eine mechanische und eine elektrische Dieselförderpumpe – später kontrollieren wir die Batterien – die 4 Bordbatterien sind ok , die erst 1 1/2 jährige Starterbatterie dürfte es nicht mehr lange machen, sie wird demnächst ersetzt. Weiter mit Ventilcheck, Lüftereinbau für Kühlbox, Anschliessen des UKW-Seefunkgerätes (Garantie-Ersatz) und  Programmierung der Identifikations-Nummer, Pactor für Wetter und E-mails auf hoher See wieder installieren und… und…natürlich sind wir hundemüde.

Am Samstag nach der 4. Nacht kann ich um 05:00 nicht mehr schlafen – vieles dreht sich mir im Kopf – hatte mich im Traum in einer völlig anderen (auch sehr schönen) Welt bewegt.  Jetzt wach und zurück im realen „harten“ Leben ziehe ich eine erste Bilanz der kurzen Zeit seit unserer Rückkehr:

3– Es geht uns gut – die Zeitumstellung, die viele Arbeit – habe einen ausgewachsenen Muskelkater von all den Verrenkungen beim Arbeiten am Boden (Motor, Ventile etc) – die Temperaturdifferenz – all das haben wir noch nicht ganz im Griff.

– Gesamthaft sind wir in kurzer Zeit jedoch bedeutend weiter vorangekommen als erhofft – besonders mit dem Einbau von Ersatz- und Neuteilen dank Michel.

– bis auf einige kleinere Dinge funktioniert die „autarke Zelle Nicone“ wieder flott. Der Segelmacher, dessen Boot neben unserem liegt und unser Werken mitbekommt, meinte, wir könnten froh sein, dass wir ein gutes Boot hätten und keinen „Yogurtbecher“ (er nannte sie namentlich), deren Besitzer hätten grosse Sorgen um ihre Boote nach der Regenzeit wieder in Betrieb nehmen zu können.

– besonders zwei Dinge werden uns noch beschäftigen:

die Rettungsinsel, die zwar gut aber doch in die Jahre gekommen ist, sollte neu gewartet werden – da dies hier für unseren Typ nicht möglich ist und ausser dem teuer wäre, beschliessen wir eine neue zu beschaffen, statt weiter zu zuwarten.

Zudem verspricht der Einbau eines Watermakers (Wasserentsalzungsanlage) weitere Unabhängigkeit und Sicherheit. Beides, Rettungsinsel und Watermaker sind ins Gewicht fallende Budgetposten und müssen aus den USA herbeigeschafft werden. Dies wiederum wird wohl unsern Zeitplan belasten.

Unterdessen ist es an diesem Morgen 07:00 geworden – die Bordfrau möchte Kaffee…

Das Wetter zeigt sich weiterhin von der guten Seite, abgesehen von einem kurzen 1-2 minütigen Regensprutz pro Tag. Da wir Lebensmittel und Geld benötigen fahren wir mit dem Bus nach Colon. Auf der Fahrt sehen wir das Ausmass der durch Regen und Erdrutsche verursachten Schäden – wo Häuser standen gibt es jetzt Schuttkegel – aber das Leben geht weiter – im alten Bus selber gibt es wie üblich Musik – heute schöne, eher etwas melancholische und nicht all zu laut. Jedes Mal wenn der Bus bremst, quitschen die Bremsen, gleichzeitig leuchten innen an der mit roten Federn verzierten Front rote Lichter auf und ebenfalls ein Herz das aufleuchtet – so können die Fahrgäste „mitleben“ – Leena meint: wir sind definitiv wieder in Panama!

Wegen der gewichtigen Einkäufe (beschränkter Platz im Bus) und Geld vom Automaten (Sicherheitsüberlegung) fahren wir mit dem Taxi zurück.

Den Rest des Tages noch dies und das, wie meine Haare schneiden (Leena Hinterkopf, ich selbst den Rest) – hatte einfach keine Zeit mehr zu Hause – dann Internet – und prompt meldet sich die Cousine und ihr Mann aus Brasilien via Skype und von der SY Anne-X erfahren wir, dass sie mit andern uns bekannten Oesterreichern als Linehander  durch den Panamakanal unterwegs sind und diesen bald selbst queren wollen  – wann sind wir wohl soweit?

Am Sonntag dann war „easy-going“ vorgesehen, nachdem wir in den letzten Tagen  wirklich hart geschuftet hatten – dies gelang erst, als am Nachmittag unser Bootsnachbar zu uns kam – er ist Baske, Koch, Alleinsegler und heisst Juan-José – er interessierte sich für unsere Solarzellen – daraus ergaben sich weitere interessante Gespräche – u.a. will er nach Kuba, dann zurück nach Mogan auf Gran Canaria und von dort aus dann mit Kollege und einer Harley Davidson die Türkei und den Iran bereisen.

Leena macht feines Z’nacht – dann noch etwas lesen und dabei leider bereits alle herrlichen, aus Finnland stammenden Lakritze, vertilgt – dabei wollten wir doch einige noch sparen… na ja…

5Die nächsten Tage sind ausgefüllt mit Wäsche machen, Segel anschlagen, alle Funktionen an Deck checken, Aussenbordmotor für Dingi in Betrieb nehmen, weitere Geldbeschaffung bei der Bank in Colon aus dem Automaten, als Vorleistung für den Watermaker – eine heikle Angelegenheit unter den Augen bewaffneter Security- Leute. An diesem Tag konnten wir mit Michel nach Colon fahren – er zahlte das Geld sogleich wieder ein – zurück ging’s mit dem Bus und dann in grosser Hitze und ohne ein Hauch von Wind 40 Min mit Gepäck noch zu Fuss zur Marina.

Informationen einholen und geben, weitere kurzfristige Planungen, wann ist was wo und wie möglich – Kommunikation mit Internet – step by stepp geht’s voran.

Eines Morgens, ich bestellte beim Segelmacher noch eine Sonnenschutzdecke, begrüsste mich jemand mit „guete Morge, wie goht’s“ – es handelte sich um Niklaus, einen Deutsch-Schweizer, der vor vielen Jahren nach Kanada ausgewandert war.

Jemand sagte ihm dass wir Schweizer seien. In 3 Minuten erzählte er mir seine Lebensgeschichte: in Biel geboren, auf einem kleinen Bauernhof im hintersten Thurgau aufgewachsen – ausgewandert – gute Geschäfte gemacht – alles (4 Millionen $) wieder verloren – Familie entzweit – Neuanfang – zweite Ehefrau, Holländerin, die fast ein Kopf grösser ist als er (und schon deshalb seine Chefin sei) – Segelboot gekauft – kann selber nicht segeln und ist deshalb mit einem gemieteten Skipper unterwegs…

Etwas später: ein Bayer unterhält sich mit eben diesem Niklaus und erzählt ihm, dass sein Sohn auch in der Schweiz sei und an der „Universität Biel“ arbeite, wo Sportler getestet würden… – kam leider nicht dazu, mich noch mit ihm zu unterhalten – es dürfte sich aber bei seinem Sohn um jemanden handeln, den ich von der Sporthochschule Magglingen her kenne.

Dann noch „Wassertag“ – hiess Wasserlinie schwimmend reinigen –  an einem Wasserauslass (unter Wasser)  Holzpropfen testen, der verhindern soll, dass Wasser ins Boot dringt, wenn wir später mit dem Mechaniker das innen liegende defekte Ventil auswechseln wollen – Tauchgerät „Freediver“ ausprobieren mit dem man z.B. gut am Boot unter Wasser arbeiten kann. Ist ok, noch etwas gewöhnungsbedürftig – Ruder des Windpiloten im Wasser montiert, weil einfacher (Auftrieb) als später an Land hoch aufgebockt.

Zum Schluss ein Tee-Ruhm wegen leichter Unterkühlung trotz 26°C Wassertemperatur.

Via Internet erfolgte von der „forty-two“-Crew, guten Bekannten, eine Anfrage, ob wir wüssten wo Roland (der von unserem Nachbardorf Scheuren /Schweiz) sei, sie hätten lange nichts gehört von ihm – wir leider auch nicht – dann grosse Überraschung: Roland müssen die Ohren wie verrückt geläutet  haben, denn noch am selben Abend trifft von ihm ein langes Sailmail ein; hier seine Geschichte: nach der Panamadurchquerung im letzten Jahr, wo wir als Linehander dabei waren, hatte er auf dem Weg nach Galapagos grosse Motorenprobleme und musste nach Panama zurückkehren – auf Teile warten – einbauen – dann noch ein Blitzschlag ins Boot – praktisch alle elektronischen Geräte defekt – wieder auf Teile warten, dann einbauen – Testfahrt mit Riss des Gaskabels… seine Pechsträhne nahm erst neulich ein Ende – er fuhr erneut zu den Galapagos und kurz darauf weiter – sein Mail erreichte uns offenbar kurz nach dem Ablegen in Richtung Marquesas. Falls alles klappt folgen wir in ein paar Wochen seiner Spur – hoffentlich nicht mit derartigen Begleiterscheinungen.

Wir sind nun bereits 10 Tage hier – haben uns wieder an Klima und Rhythmus gewöhnt – am Abend blieb sogar Zeit zum Lesen ohne dass uns sofort die Augen zufielen – es handelt sich in meinem Fall auch um spannende Lektüre des Literatur-Nobelpreisträgers Vargas: “Tante Julia und der Kunstschreiber“, mit tragik-komischen Begebenheiten aus Peru – sehr zu empfehlen.

Am folgenden Tag – wir haben in der Panamarina alles erledigt, als gute Nachrichten folgten:

Tel von Dave, Shelterbay – wir können am nächsten Mittwoch das Boot auswassern – werden dann das Antifouling erneuern.

Tel mit Michel – das neu bestellte Liferaft wird mit einem früheren Schiff als erwartet eintreffen und der Watermaker kommt rechtzeitig per Flugzeug.

Ausserdem hat der Schweizer Cuche die Abfahrt beim „Ski-Erzfeind“ Oesterreich (aber man mag sich) in Kitzbühel gewonnen.

Wir beschliessen sofort abzulegen und in einem ersten Hupf 9 Seemeilen nach Portobello zu fahren und freuen uns auf den ersten Seetag 2011.

Als wir ablegen – Jean-Paul und sein Helfer Mino lösen vom Dingi her die Leinen – steigt unsere Spannung – wir kurven zwischen den Riffen durch die Bojenstrasse der See zu… wow… es ist ein spezielles Erlebnis an diesem herrlichen Tag – der Nicone gefällt’s offenbar ebenso – sie tanzt auf den Wellen „wie ein freigelassener Hund, der lange an der Leine war“ (war sie ja auch).

 

4In der Ankerbucht von Portobello treffen wir nicht ganz unerwartet erneut mit Hagen von der SY Modus Vivendi zusammen. Mit seinem Mitsegler verbringen wir einen feinen Abend bei viel Seemannsgarn auf unserem Boot. Vorher machten wir uns noch ein Bild über die Verwüstungen durch Erdrutsche im nun noch tristeren Portobello.

Am folgenden Sonntag steuern wir nun innerhalb von ¾ Jahren zum vierten Male die 20 Seemeilen entfernte Shelterbay-Marina an – bei der Anfahrt mit schönem Halbwind befinden sich wiederum viele Frachter und Tanker vor und innerhalb des  grossen Wellenbrechers, welche vom Pazifik kamen oder in Gegenrichtung durch den Panamakanal wollen.

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Hier in der Shelterbay treffen wir gleich auf 4 Ehepaar- / Partner-Crews denen wir schon in früheren Zeiten begegnet sind. Heute legen 3 Boote ab um in den Pazifik zu gelangen.

Wir beginnen gleich andern Tags mit Vorbereitungen zum Ausheben der Nicone in 2 Tagen. Dann erfolgt Check des Unterwassers, Schleifarbeiten, Erneuerung des Antifoulings und der Annoden und…es gibt zu tun.

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