Aktuell Juli 2015

Ein paar Blicke und Erinnerungen aus Distanz

Wir sind nun bereits 3 Monate zu Hause in der geliebten „ruhigen“ Schweiz bzw. im Europa, das sich zur Zeit im Besonderen um Stabilität mit Griechenland bemüht.

Mit Blick darüber hinaus ist die Welt vielerorts in Aufruhr, sei es durch Kriege, (IS-) Terrorismus, politische Unruhen, Naturkatastrophen, Machtgehabe, Flüchtlingsströme, Reich-Arm-Gefälle, Korruption, FIFA- und Banken-Skandale etc. – dabei werden einige Erinnerungen wach:

Als Seenomaden sind wir manchmal recht nahe am Geschehen und des Öftern fühlen wir uns etwas ohnmächtig gewissen Situationen gegenüber – als Gäste bzw. Touristen haben wir Erwartungen an  die Länder die wir besuchen, aber natürlich auch Verpflichtungen, die da heissen Freundlichkeit und Respekt gegenüber Sitten, Gesetzen und Gebräuche, begleitet von Vor- und Umsicht, die sich neben den Seebedingungen auch auf die politische Wetterlage beziehen.

In Kolumbien im Grenzgebiet zu Panama, so war kürzlich zu lesen, sind wieder Kämpfe zwischen Armee und Rebellen (FARC) ausgebrochen – der Konflikt der wegen der Drogenmafia seit ca 50 Jahren anhält, kostete 200‘000 Menschenleben und trieb etwa 5 Millionen Menschen in die Flucht.

Wir waren 2010 mit etwas mulmigem Gefühl in einem küstennahen Gebiet wo zuvor Kämpfe nahe des Grenzverlaufes zu Panama eingestellt wurden und Friedensverhandlungen im Gange waren – der landesinterne Frieden scheint jetzt wieder in die Ferne gerückt.

Eine Dok-Fernsehsendung berichtete über die Schönheit pazifischer Inseln und Atolle, welche vor Jahren für Atombombenversuche herhalten mussten – ein paar der Inseln und Atolle und dort lebende Menschen haben wir aus dem Jahr 2011 noch in bester Erinnerung.

1 DSC_0195 Buch Heike DorschDabei gibt es eine getrübte Sicht auf die wunderschöne Insel Nuku Hiva auf den Marquesas (wo u.a. auch der Autor von „Moby Dick“ Melville eine Zeit lang lebte). Es ist die tragische Geschichte des jungen Seglerpaares Heike und Stefan aus Deutschland – sie waren mit ihrem Segel-Katamaran dort vor Anker – auf der Ziegenjagd mit einem Einheimischen wurde Stefan von diesem ermordet und verbrannt. Wir machten die Bekanntschaft mit dem sympathischen Paar zuvor in Kuba und trafen sie später wieder auf Grand Cayman Island – man half einander mit Kleinigkeiten aus und Stefan zeigte uns u.a. wie man aus einem Stück Draht und Gartenschlauch einen Fischköder herstellt, mit welchem wir in der Folge erfolgreich ein paar Thunfische an die Angel bekamen – um die Geschehnisse, bei welchen Heike Dorsch selber Todesängste erlitt, zu bewältigen, schrieb sie ein Buch: Inzwischen wurde die tragische Geschichte auch verfilmt

Auf unserer Landreise in Vietnam letzten Jahres gab es bei uns Überlegungen Inseln vor der Küste Vietnams im Südchinesischen Meer zu besuchen – umstände halber und wegen gelegentlichen  Unruhen dort verzichteten wir.

2 DSCF1456a  3 DSCF1457a
Jetzt zeigen Satelitenaufnahmen, dass China auf Riffen und Atolls ungefragt Landgewinne macht und offenbar militärische Bauten errichtet – dabei waren Verhandlungen der umliegenden Länder Vietnam, Philippinen, (China),Taiwan, Malaysia und Brunei im Gange, welche gewisse Ansprüche haben – nun wird gemäss internationalen Zeitungsberichten mit Hilfe der USA und der Unterstützung von Japan im Gebiet gegen den „Aggressor China“ aufgerüstet… – das Ganze geschieht etwas weit weg – ob es uns nicht doch zu interessieren hat?

In Malaysia, nahe der Grenze zu Thailand – in der Nähe wo unser Boot stationiert ist – gibt es wie im Mittelmeer Dramen über Bootsflüchtlinge aus dem verarmten Myanmar. Das Fernsehen berichtete über etwas landeinwärts gelegene Flüchtlings-Camps und Gräber von offenbar unzähligen Flüchtlingen.

Hier ein leicht gekürzter Auszug aus dem Blog der SY „forty-two“ De, die sich vor Ort auf See befand:

16.05.2015: Bootsflüchtlinge vor Langkawi 

… hier sind es vorwiegend unterdrückte und arme Leute aus Bangladesch und Myamar. Sie werden teils gezwungen ihr Land zu verlassen, teils flüchten sie selber. Heute haben wir einen kleinen, eigenen Eindruck davon bekommen. Denn die Bootsflüchtlinge sind genau hier, am Eingang der Melakkastrasse, auch vor Langkawi.

Heute haben wir ein treibendes Holzfloß entdeckt, rund herum voll mit mindestens 20 Halteleinen. Aber keine Menschen. Wir stellen uns vor, daß irgendwelche Schlepperbanden die Menschen nachts vor der Küste aussetzen. 20 Leute halten sich an diesem winzigen Holzfloß fest. Vielleicht sitzen ein paar Kinder obendrauf. Man sagt ihnen „schwimmt da lang. Irgendwann kommt ihr aus Ufer“. Und weg ist das Schiff. In der Ferne sehen sie ein paar Lichter. Hoffentlich schwimmen sie auf die richtigen zu und nicht gegen die Strömung oder irgendwohin wo man wegen Wellen und Felsen nicht an Land kommt…

Wir haben per Funk der Schiffahrtspolizei Bescheid gegeben. War gar nicht so einfach, denn auf Kanal 16 meldete sich keiner. Aber irgendwann sind die dann doch zu dem Floß gebraust.  Dann sind sie noch weiter herumgefahren, haben aufgestoppt und irgendetwas im Wasser gefunden. Was, wissen wir nicht.

Über die Bootskflüchtlinge wird hier aktuell viel diskutiert. Dabei geht das schon seit Jahren so. Die einen sagen „Da sitzen nur Männer drauf. Das sind keine richtigen Flüchtlinge. Ein Mann lässt seine Familie nicht im Stich“. Die anderen sagen „Wir müssen unsere armen Brüder und Schwestern aufnehmen. Wer sie zurück aufs Meer schickt, versündigt sich“. Wir wissen nicht was richtig ist. Aber hätten dort an dem Floß noch Leute gehangen, hätten wir sie an Bord genommen und sicher ans Ufer gebracht und erst im Hafen die Polizei gerufen.

Ende Juni erreicht uns die Nachricht vom Terror-Anschlag in Sousse, Tunesien, wo ein IS-Kämpfer  ein Massaker unter Feriengästen am Strand anrichtete – ein Tiefschlag sondergleichen für die noch sehr jungen Demokratie, wo dem Vernehmen nach jeder vierte Einwohner vom nun sicher ausbleibenden Tourismus lebt – wohl genau diese Schwächung des Staates ist das Ziel der Gotteskrieger – die Polizei die für die Sicherheit der Gäste zuständig ist hat Machtbefugnisse verloren und hat vor Ort gemäss Berichten „zugeschaut“… unter dem diktatorischen Regime von Ben Ali vor 2011 wäre solches nicht möglich gewesen, was natürlich nicht heisst, dass diese Zustände besser waren – nach unserer Meinung müsste der sich dort anbahnende „arabische Frühling“ mit Bildungsangeboten und Investitionen unterstützt werden, damit ein Rückfall ins tiefe Mittelalter vermieden werden kann.

Im Juni 2008 segelten wir westwärts der Küste Tunesiens entlang – also noch zur Zeit des diktatorischen Regimes von Ben Ali, das dann 2010/2011 mit der Jasmin-Revolution endete – ich hielt später fest, dass wir in keinem andern Land so sehr bewacht und sicher waren wie in Tunesien, wo unsere Schritte zu Land und zur See genauestens überwacht wurden – ein beklemmendes Gefühl! – hier Auszüge aus dem damaligen Logbuch:

Nach vier Tagen haben wir genug vom „freundlichen Gefangensein“ in der Marina von Bizerte – Abmeldung – obligatorische Meldung wohin – wir wollen nach dem 80 Seemeilen westlich gelegenen Tabarka (letzter Hafen vor Algerien, wo wir Tunesien in Richtung Sardinien verlassen werden) – wir wissen dass sich auf halber Strecke ein sicherer und schöner Ankerplatz befindet, den wir gemäss Behörden nicht anlaufen sollen aber wollen und schlussendlich wegen Wellen und Wind auf die Nase praktisch gezwungen sind dort zu ankern, weil wir Tabarka bei Tageslicht nicht mehr erreichen würden. Es war ein wirklich lohnenswerter Zwischenhalt in der einsamen wunderschönen Bucht – wir wollten am folgenden Morgen gerade Anker auf gehen als ein Coastguard-Boot mit zwei Beamten in die Bucht hinein fuhr und in kurzer Distanz parallel zu uns aufstoppte – ein freundlicher Beamter sagte: sie sind Schweizer? – ja – eure Namen sind Peter & Leena Bäni? – ja – sie zwei sind alleine an Bord? – ja – sie segeln unter finnischer Flagge? – ja (wir müssen kichern, es ist ja auch zu sehen) – der Bootsname ist Nicone? – ja (dabei musste ich lachen weil ich genau über dem gross lesbaren Namen stand) – sie haben letzte Nacht hier geankert? – ja – sie sind unterwegs nach Tabarka? – ja – es folgten noch weitere Fragen, über die sie schon bestens Bescheid wussten – der Beamte hatte alles auf einem Zettel notiert, den er seinem Kollegen übergab – dieser nahm den  Funk in die Hand und führte ein längeres Gespräch – nach Beendigung sagte er dann: alles ok, sie können nach Tabarka fahren, sie werden erwartet und sind dort willkommen – daraufhin fragte er noch schmunzelnd wer von uns Chef sei – als ich ihm antworte das sei halt von der Situation abhängig, wird dies mit Lachen und einem freundlichen auf Wiedersehen quittiert.

Als wir bereits nach einem weiteren Tag von Tabarka ablegen, d.h. die Behördengänge mit Ausklarieren erledigt haben um Tunesien zu verlassen, begleitet uns ein Beamter zum Boot und wartet dann bis wir den Hafen verlassen haben… wahrscheinlich um sicher zu sein, dass wir niemanden mitnehmen…

… wir segelten in nördlicher Richtung Sardinien entgegen – als wir zur internationalen 12- Seemeilenzone gelangen, sehen wir von weitem ein Militärboot das entlang der Seezone fährt.

4 DSCN7464a Seeüberwachungsboot
beim Näherkommen entpuppt es sich mit den vielen Antennen als Seeüberwachungsschiff, das auf uns zufährt, in einigem Abstand hinter dem Heck auf die Steuerbordseite kommt – auf unsere Geschwindigkeit verlangsamt und uns parallel auf gleichem Kurs eine Weile begleitet – dabei sehen zwei Offiziere mit Ferngläsern zu uns herüber – wir ebenfalls mit dem Fernglas zu Ihnen – wir erwarten eine Funkmeldung, tippen noch die Flagge – aber nichts geschieht – nach einiger Zeit dreht das Militärboot ab und fährt in Richtung wo es hergekommen war wieder davon – wir können nur raten was dies bezweckte – offenbar ging es nur um Kontrolle dass wir Tunesien wirklich verlassen, bzw. dass sie nicht mehr für unsre Sicherheit zuständig sind…

Die Skandale der FIFA mit dem abtretenden Sepp Blatter an der Spitze, erinnern uns an das wohl ärmste Fischerdorf, das wir in Indonesien antrafen. Es lag leicht abseits der empfohlenen Route westwärts und von den Organisatoren von „Sail Indonesia 2013“ wurde abgeraten dorthin zu segeln, dies vorwiegend mit der Begründung schlechter Ankermöglichkeiten… so waren wir denn nur zwei Boote vor Ort und es dämmerte die Vermutung, dass man den Seglern so viel Armut vorenthalten wollte.

Die Ankerbedingungen waren nur an wenigen Orten so gut und die Freundlichkeit der Bewohner war etwas vom Herzlichsten… je ärmer desto herzlicher ging uns durch den Kopf… jedoch waren wir beinahe erschüttert von den ärmlichen und unhygienischen Lebensbedingungen die sich uns boten.

5 IMG_2289a Maropokot  6 IMG_2290a Maropokot
umso überraschter waren wir als wir auf dem sogenannten Fussballplatz mit salziger unebener Erde einige Jungs antrafen welche sich in Top-Ausrüstung präsentierten und von uns fotografiert werden wollten – wir konnten nur rätseln, dass wohl die FIFA hier, aus welchen Gründen auch immer, ein Zeichen setzte.

Zum Schluss noch ein paar nicht genauer verifizierte Flash-Berichte, die uns auf verschiedenen Wegen erreichten und über uns bekannte Boote berichteten, welche auf unserer geplanten Route im Indischen Ozean unterwegs sind:

Ein Segelboot hat den Mast verloren – ein in der Nähe segelndes Boot konnte helfen – beide haben sicher die kleine Insel Rodriguez östlich von Mauritius erreicht.

Ein anderes Segelboot hatte auf der Reise von Thailand nach Sri Lanka überraschend mehrere Probleme mit Boot und Wetter zu bewältigen und ist nach einem Vernunftentscheid nach Malaysia zurückgekehrt.

Eine Crew musste ihr Segelboot nach einem Ruderbruch (mit Wassereinbruch!?) verlassen und wurde von einem Frachter geborgen – das Boot sei nicht direkt gesunken.

Die meisten sind inzwischen mit unterschiedlichen Wind- und Wetter-Verhältnissen gut und voller zufriedener Erlebnissen auf den Seychellen bzw. bei den Inseln Mauritius oder Réunion angekommen – eine Crew hat dort ihr Boot in Obhut gegeben und ist für ein paar Monate nach Hause geflogen.

Wir bekommen eine Aufforderung an einem Weltseglertreffen in Österreich teilzunehmen…

Eine uns nahestehende Segelcrew hatte den Indischen Ozean bereits verlassen und via St Helena den Atlantik überquert, Brasilien erreicht und ist gleich weiter bis Trinidad gesegelt, womit sie die Welt umrundet haben – Gratulation!

Comments are closed.